Was man über Arbeitnehmer und Flüchtlinge aus der Ukraine wissen muss

Was man über Arbeitnehmer und Flüchtlinge aus der Ukraine wissen muss

Viele Arbeitgeber möchten den Kriegsflüchtlingen helfen und diese als Arbeitnehmer beschäftigen. Geht das überhaupt?

Viele der Schutzbedürftigen, die vor dem von Russland entfesselten Krieg nach Deutschland fliehen, kommen aus Berufen, in denen sie in Deutschland arbeiten möchten. Oder sie möchten einfach nicht in Flüchtlingseinrichtungen auf  Hilfszuwendungen angewiesen bleiben. Und viele Arbeitgeber möchten gern helfen und dabei auch die Personalknappheit z.B. in der Gastronomie (Servicepersonal), dem Transportgewerbe (Lkw-Fahrer und Lieferdienste), der Gebäudereinigung oder auch in der einfachen Krankenpflege überwinden. Doch dürfen die Flüchtlinge überhaupt bleiben und wenn ja wie lange? Was ist in Deutschland möglich und was hat die EU bereits in die Wege geleitet? 

Was kann man zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus Sicht von Arbeitgebern dazu sagen?

Von Christoph Anders, Gesellschafter und Mitglied der Geschäftsleitung bei ANDERS CONSULTING Relocation Service

+++ Die visumfreie Einreise ukrainischer Staatsangehöriger ist nur bis zum 31. August 2022 vorgesehen. Personen, die ab dem 1. September 2022 für einen langfristigen Aufenthalt einreisen, benötigen also wieder ein Visum +++

Die Flucht nach Deutschland ist zum einen möglich und die Schutzsuchenden dürfen erst mal 90 Tage bleiben

Bereits vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine durften ukrainische Staatsbürger, die über einen biometrischen Reisepass verfügen, auch ohne im Besitz eines gültigen Visums für 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen in die EU und nach Deutschland einreisen. Der Sichtvermerk im Pass stellt einen Aufenthaltstitel dar. Aus humanitären Gründen sind Grenzübertritte nach Polen und Slowenien jedoch auch ohne biometrischen Pass möglich. Da an den EU-Binnengrenzen keine Grenzkontrollen stattfinden, gelangen so sämtliche ukrainischen Flüchtlinge zum vorübergehenden Schutz ggf. auch nach Deutschland. 

Das Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) hat am 9. März 2022 die sogenannte Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung (UkraineAufenthÜV) erlassen. Geflüchtete können hiervon rückwirkend zum 24. Februar 2022 profitieren, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen und erhalten einen Aufenthaltstitel, für den sie sonst keine Antragsberechtigung gehabt hätten. Die Verordnung gilt zunächst bis zum 31. August 2022.

Was gilt für ukrainische Staatsangehörige, die schon vor dem 24. Februar 2022 in Deutschland waren?

Für ukrainische Staatsbürger, die bereits einen Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit besitzen, sollten in der aktuellen Situation besonders darauf achten, diesen rechtzeitig verlängern zu lassen, denn sie profitieren nicht von den Sonderregelungen für Schutzbedürftige, die schon erlassen worden sind oder noch erlassen werden. Für sie gilt kein humanitärer Sonderstatus, da sie bereits einen anderen Aufenthaltstitel besitzen. Nur für die 3-Monats-Visa bei visumfreier Einreise, die ab dem 25. Februar abgelaufen wären – also für Ukrainer die in den drei Monaten vor dem 24. Februar 2022 aus anderen Gründen visumfrei . meist für touristische Zwecke – eingereist sind und kriegsbedingt nicht zurückkehren wollen oder können -, ist nun durch die Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung der Erwerb einer Aufenthaltserlaubnis möglich. 

Gegenwärtig müssen sich Geflüchtete für eine Registrierung, wenn Sie eine Unterkunft gefunden haben, an die für sie zuständige Ausländerbehörde wenden. Dazu sollte man die Bekanntmachungen der jeweiligen Gemeinden aufmerksam verfolgen. In einigen Gemeinden kann man die Registrierung online starten, z.B. in Stuttgart. Andernorts kann man online Termine buchen, so zum Beispiel in Berlin. Oder man muss wie in Hamburg zur Ausländerbehörde gehen und anstehen.  

Die Vorbereitungen für eine geregelte Verteilung der Kriegsflüchtenden auf die Bundesländer erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel. Der § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ist in dieser Hinsicht eindeutig. Wer eine Bleibe gefunden hat, die zumindest b.a.w. zur Verfügung steht, der registriert sich und braucht dann nicht mehr damit zu rechnen, an einen anderen Ort umgeleitet zu werden. Die Ausländerbehörden verfahren relativ unbürokratisch. Wer sich registriert, bekommt zunächst eine Fiktionsbescheinigung, die 3 Monate gültig ist. Sie erlaubt auch die Erwerbstätigkeit.

Bis auf weiteres gilt: Geflüchtete ohne Fiktionsbescheinigung dürfen nicht arbeiten

Festgehalten werden muss noch, dass der aktuelle Status der ukrainischen Geflüchteten kein Asyl sondern ein “vorübergehender Schutz” ist. Allerdings steht es den Flüchtlingen frei, auch Asyl zu beantragen, z.B. Migranten aus Kriegsgebieten oder Staatenlose, die sich vorübergehend in der Ukraine aufgehalten haben. Auch andere Aufenthaltstitel können beantragt werden, soweit die Voraussetzungen erfüllt sind, z.B. die Blaue Karte EU. Wer sich für die Blaue Karte entscheidet, muss aber auf den Aufenthaltstitel nach § 24 Abs. 6 S. 1 AufenthG verzichten, d.h. eine Wahl treffen. 

Der vorübergehende Schutz wurde in Brüssel am 3. März 2022 durch die Anwendung der sogenannten “Massenzustromsrichtlinie”, bzw. Richtlinie über den temporären Schutz ausgelöst. Damit werden unter anderem die Ausländerbehörden und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entlastet, die in der zu erwartenden Anzahl an Asylanträgen wahrscheinlich wieder ebenso untergehen würden wie 2015. Für die betroffenen Menschen, die vor dem Krieg fliehen, bedeutet es vor allem schnellen und unkomplizierten Schutz in der Bundesrepublik und den anderen Mitgliedsstaaten der EU. Die Umsetzung der EU-Richtlinie erfolgt in Deutschland vor allem nach den Bestimmungen des § 24 AufenthG. Die Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung des BMI füllt die Richtlinie mit Detailbestimmungen aus. 

Grundsätzlich gilt bis auf weiteres, dass eine Beschäftigung im Rahmen des temporären Schutzes erlaubt sein soll. Arbeitgeber, die sich Hoffnung auf sofort nach Einreise verfügbare Arbeitskräfte machen, werden aber b.a.w. enttäuscht und machen sich im Zweifel strafbar, wenn sie geflüchtete Ukrainer ohne Fiktionsbescheigung (§ 81 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit Abs 5 AufenthG) oder Aufenthaltstitel mit Erlaubnis zur Beschäftigung einstellen. Die Fiktionsbescheinigung muss die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit explizit und uneingeschränkt enthalten, z.B. im Wortlaut „jede Erwerbstätigkeit erlaubt/gestattet“. Später erhalten die Antragsteller dann einen elektronischen Aufenthaltstitel im Scheckkartenformat. 

Interessanterweise verbietet § 24 AufenthG es, dass eine selbständige Tätigkeit während des temporären Schutzes von den Behörden ausgeschlossen wird. Die EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz musste jedoch so interpretiert werden, dass am Ende auch eine Beschäftigung erlaubt worden ist. 

Was fordert die EU und was passieren nun in Kürze?

Auch Menschen anderer Staatsangehörigkeiten, die sich mit einem gültigen Aufenthaltstitel vor dem 24. Februar in der Ukraine befanden und die keine EU-Bürger sind, erhalten den gleichen Schutzstatus wie ukrainische Staatsbürger auf der Flucht. Bei beiden Gruppen unterliegen auch deren Angehörige und Familien dem temporären Schutz, wenn die Familie bereits in der Ukraine bestand. 

Das Hauptergebnis dieser Massenzuwanderung sind wesentlich zwei Regelungen zur Umsetzung des vorübergehenden Schutzes, denn man hat aus den Fehlern der “Flüchtlingskrise” 2015 gelernt. Die Massenzustromsrichtlinie macht es möglich, bzw. das normierte Ermessen der Bundesregierung unter der Richtlinie und die Berücksichtigung der besonderen Umständen sind geradezu als Forderung zu werten:

  • Zur Entlastung der deutschen Behörden wird der visumfreie Kurzaufenthalt für die unter dem temporären Schutz stehenden Gruppen bis zu einem Stichtag, bzw. für 3 Monate verlängert. Für bis zu 90 Tage ist das durch den Ausnahmefall im Sinne des Artikels 20 Abs. 2 des Schengener Durchführungsabkommens (SDÜ) möglich. Auch § 40 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) und Art. 33 des Visacodex erlauben diese Vorgehensweise grundsätzlich
  • Die Zeit der 90-Tage-Verlängerung führt im ersten Schritt dazu, dass die Ausländerbehörden einen Aufenthaltstitel gewähren, der nicht nur das Aufenthaltsrecht verbrieft, sondern auch Zugang zum Arbeitsmarkt, zu einer Krankenversicherung, zu Wohnraum und den Lebensunterhalt sichernden Mitteln gewährt
  • Es soll sich ein weiterer Aufenthaltstitel anschließen, der für zwei Jahre gewährt wird, und ebenfalls die Beschäftigung erlaubt
  • Der temporäre Schutz kann längstens für 3 Jahre gewährt werden

Der tempöräre Schutz ist kein langfristiges Bleiberecht. Wenn der Krieg vorbei ist, müssen die Ukrainer wieder zurückkehren

Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird allein durch die Ausländerbehörde nach § 4a Abs. 2 AufenthG gewährt. Nach § 31 der Beschäftigungsverordnung (BeschV) ist nicht einmal eine Zustimmung der Agentur für Arbeit (ZAV) erforderlich. Es stehen also unmittelbar zahlreiche Möglichkeiten offen, einen nachhaltigen humanitären Schutzraum für die vor dem Krieg Flüchtenden zu schaffen, der ausnahmsweise mal kein “Fahren auf Sicht” wie 2015 oder bei Corona ist, sondern der von vornherein Bedingungen schafft, unter denen auch bei längerem Anhalten des Kriegszustandes in der Ukraine für sehr lange Zeit, die Flüchtlinge ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland führen können. 

Die EU-Kommission hat bereits klar gemacht, dass der vorübergehende Schutz beendet wird, wenn die Lage in der Ukraine eine sichere und dauerhafte Rückkehr erlaubt. Es ist also immerhin denkbar, dass sich sich der temporäre Schutz auf einen sehr langen Zeitraum erstreckt und dass die Rückführung der Kriegsflüchtlinge, bzw. der Stopp der Flüchtlingswelle sich eines Tages nur sehr schwer bewerkstelligen lassen.

Was müssen Arbeitgeber wissen und bedenken?

  • Wenn Sie bereits Ukrainer als Fachkräfte beschäftigen, drängen Sie auf rechtzeitige Beantragung , bzw. Verlängerung des Aufenthaltstitels zur Beschäftigung
  • Die Beschäftigung von Ukrainern ist b.a.w. ohne einen Aufenthaltstitel, bzw. eine Fiktionsbescheinigung, die eine Beschäftigung ausdrücklich (!) erlaubt, verboten. Das gilt insbesondere für den visumfreien 90-Tage-Aufenthalt, aber auch für Visa zur Arbeitsplatzsuche oder zum Erlernen der deutschen Sprache
  • Ukrainische Studierende dürfen Sie auch weiter 120 ganze oder 240 halbe Tage im Jahr beschäftigen. Sie können die Studierenden auch nach erfolgreichem Abschluss des Studiums einstellen, denn dieser Personenkreis kann dann bei der zuständigen Ausländerbehörde am Wohnort einen langfristigen Aufenthaltstitel beantragen
  • Es gibt nun die ersehnte Rechtsgrundlage, auf der qualifizierte und hochqualifizierte Arbeitnehmer aus der Ukraine, die sich schon in Deutschland befinden oder jetzt als Schutzbedürftige einreisen, in Deutschland einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung beantragen können. Bis auf weiteres können frisch eingereiste ukrainische Fachkräfte aber drauf verlassen, ohnehin zwei Jahre in Deutschland bleiben und arbeiten zu können. Alles weitere muss die Zukunft zeigen

Änderungen und Irrtum vorbehalten. Stand: 31. Mai 2022. Anders Consulting erbringt keine Rechtsdienstleistungen.

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