Home Office und Praxistipps für global mobile Arbeitnehmer
Arbeitnehmer und Fachkräfte, die nicht ein- oder ausreisen können. Ist das Home Office die Lösung?
Muss ich als Arbeitgeber meine Leute zurückholen? Wenn es geht, unbedingt. Und man sollte dabei keine Kosten scheuen
Die weltweite Corona-Pandemie stellt Arbeitgeber und Arbeitnehmer in diesen Tagen bei Entsendungen und Neueinstellungen von Fachkräften vor besondere Herausforderungen, z.B. auch bei dringend benötigten Pflegekräften. Muss ich meine Mitarbeiter aus dem Ausland zurückholen? Was ist, wenn ein Expat oder ein frisch eingestellter Arbeitnehmer nicht einreisen und die Stelle antreten kann? Was ist dann mit dem Arbeitsvertrag, der Sozialversicherung und den Steuern?
Muss ich Expats zurückholen?
- Der Arbeitgeber hat jetzt in der Zeit der Corona-Pandemie gesteigerte Fürsorgepflichten, d.h. er muss aktiv „Krisen-Management“ betreiben, auch bei kurzfristigen Dienstreisen. Im Zweifel müssen Experten (Krankenkasse, Anwalt, Steuerberater, Relocation-Experte) hinzugezogen werden, wenn das Know-how des Unternehmens dafür nicht ausreicht. Man kann sich als Arbeitgeber nicht damit begnügen, dass der Beschäftigte im Ausland nicht (gut) erreichbar ist und schon alles in Ordnung sei
- Entsendete Arbeitnehmer profitieren im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht von den Rückholprogrammen der Bundesregierung
- Leib, Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers und seiner Begleitpersonen müssen vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber geschützt werden
- Der Arbeitgeber muss aktiv werden und Maßnahmen ergreifen: Unterstützung der erforderlichen Maßnahmen im Ausland aus dem Inland heraus, Klärung z.B. von Krankenversicherung, Sicherheit, Steuern (z.B. 183-Tage-Regel), Arbeitserlaubnis, Visum und Aufenthaltstitel. Hier greifen viele Aspekte ineinander, die in dieser Form bisher nie aufgetreten sind
- Pflicht für den Arbeitgeber, in dessen Interesse die Entsendung erfolgte: Übernahme der Kosten der Rückkehr und der damit in Verbindung stehenden Folgekosten und Aufwendungen, und zwar nicht nur als Rückerstattung, sondern im Zweifel durch unmittelbare und zeitnahe Zahlungen. Wer hier patzt, muss mit Schadenersatzforderungen rechnen
- Wenn eine Rückkehr an den Arbeitsort nicht möglich ist, dann muss auch ein erhöhter Aufwand vor Ort getragen werden, z.B. Hotelaufenthalt oder Wohnen auf Zeit, weil die Wohnung schon gekündigt ist oder Kosten für die Sicherheit oder zusätzliche Gesundheitsvorsorge
Geiz ist nicht geil: Wer jetzt keine gute Entsendevereinbarung hat, der steht ganz schön im Regen
- Gut, wenn es im Unternehmen spezielle arbeitsvertragliche Reglungen im Entsendevertrag oder der Entsenderichtlinie für Notfallsituationen gibt. Jetzt zeigt sich, dass solche Regelungen kein überflüssiger Mumpitz sind
- Nur wenn eine explizite Regelung zum Rückruf durch den Arbeitgeber vorliegt, kann der Arbeitgeber die Rückkehr einfach anordnen. Die Grundsätze von Recht und Billigkeit sind in jedem Falle zu respektieren, denn der Mitarbeiter darf durch den Rückruf nicht zusätzlich gefährdet werden. Daher ist eine sorgfältige Güterabwägung erforderlich
- Bei einem Rückruf nicht nur die Kosten und Folgekosten klären (siehe oben), sondern auch: An welchen Arbeitsplatz kehrt der Arbeitnehmer in Deutschland zurück, welches Gehalt und welche Unterstützung bei der Reintegration erhält er? Wer will schon eine spätere Kündigung des wertvollen Mitarbeiters riskieren, weil er nicht gut vorgesorgt hat?
- Wenn keine spezifische Regelung für Notfälle wir Corona existiert gilt: Befreiung von der Arbeitspflicht, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht. Der Arbeitnehmer kann dann auch auf eigene Faust zurückkehren und der Arbeitgeber kann nicht im Anschluss die Kostenübernahme verweigern. Wenn umgekehrt der Arbeitnehmer nicht zurückkehren will, der Arbeitgeber dies aber zur Gefahrenabwehr für dringend geboten hält, kann auch eine Änderungskündigung durch den Arbeitgeber erfolgen, um Haftungsrisiken auszuschließen. Man sieht: Schwierige Entscheidungen, um die schlecht beratene Arbeitgeber nicht zu beneiden sind
- Versetzung zu Tochtergesellschaft bei ruhendem Arbeitsvertrag im Inland und gültigem Auslandsvertrag: Der einseitige Rückruf nach Deutschland ist nicht möglich, der Arbeitnehmer muss seinen Job für die Tochtergesellschaft im Ausland erbringen, was er aber auch in Deutschland oder im Home Office erledigen kann. Dazu später mehr
- Krisenmanagement ist eine langfristige Aufgabe für den Arbeitgeber und Personalverantwortliche, weil sich zum Beispiel die Regeln zu Grenzübertritten, Servicebereitschaft von Behörden und Auslandsvertretungen, nationale Verhaltensvorschriften und die Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln, insbesondere von Flügen u.v.m. ständig ändern. Bleiben Sie also am Ball. Es ist leider noch nicht vorbei!
Die neue Fachkraft aus dem Ausland kann nicht einreisen. Kann ich den Vertrag parken, Home Office anweisen oder kündigen?
Eine neue Fachkraft aus dem Ausland kann die neue Stelle nicht antreten, da sie nicht nach Deutschland einreisen kann. Es gilt: Die Leistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag bestehen weiter. Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers muss auch weiterhin in Deutschland erbracht werden, sobald die Einreise zumutbar ist.
Was kann man in der Situation tun?
1. Aussetzen/Ruhen und Entschädigung statt Gehalt (keine Tätigkeit in Deutschland = Wartegeld). Achtung: Wartegeld ist kein Vorschuss auf Gehalt. Die gegenseitigen Leistungspflichten und ein Beschäftigungsverhältnis entstehen dann in dem Moment des geplanten Arbeitsbeginns (noch) nicht. Beide Vertragsparteien müssen dies einvernehmlich beschließen und am besten schriftlich niederlegen. Es besteht keine Sozialversicherungspflicht in Deutschland (Territorialitätsprinzip), d.h. kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld und dergl. Und die Sozialversicherungspflicht im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers bleibt bestehen.
Grundsätzlich gilt: Lohnsteuerbehalt nur bei nichtselbständiger Tätigkeit für einen inländischen Arbeitgeber. Was aber ist, wenn der Arbeitnehmer die Stelle nicht antreten kann? Wartegeld ist kein Lohn aus nichtselbständiger Arbeit. Ein Vorschuss ist hingegen lohnsteuerpflichtig, aber erst bei Arbeitsbeginn in Deutschland. Am besten immer das entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen prüfen, wenn es eines gibt. Zusätzlich gilt die Empfehlung: Einen Vorschuss als Darlehen gewähren. Ein Darlehen ist kein Lohn, kann aber später verrechnet werden. Das Darlehen ist steuerlich am unverfänglichsten. Gezahltes Gehalt, das geflossen ist, obwohl der Arbeitnehmer faktisch nicht nach Deutschland einreisen konnte (z.B. bei einer Kündigung in der Probezeit; der Arbeitnehmer wird wg. Corona nicht mehr gebraucht), ist in Deutschland nicht zu versteuern, aber im Ansässigkeitsstaat. Der Arbeitgeber muss sich
darum kümmern!
Kündigung oder Home Office: Was muss man bedenken?
2. Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses: Man kann einem Mitarbeiter nicht einfach kündigen, wenn er noch nicht nach Deutschland kommen konnte. Nur wenn in der Probezeit eine Kündigung ohne Nennung von Gründen gemäß Arbeitsvertrag erlaubt ist, kann man ordentlich kündigen. Ansonsten haben Kündigungsschutz und Betriebsvereinbarungen weiterhin auch in der durch Corona hervorgerufenen Lage Bestand, ebenso ist deutsches Recht anwendbar. Ob Corona ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung wegen einer Störung im Leistungsbereich ist, ist fraglich, wird von Juristen zur Zeit heftig diskutiert und wird wohl erst geklärt werden können, wenn es erste Klagen und schließlich höchstinstanzliches, gesprochenes Recht dazu gibt.
3. Home Office: Das neu eingegangene Beschäftigungsverhältnis wird einvernehmlich modifiziert und es wird die Leistungserbringung durch den Arbeitnehmer im Home Office vereinbart. Der Arbeitgeber erteilt in einer schriftlichen Zusatzvereinbarung die Erlaubnis zur Erbringung der Arbeitsleistung im Ausland. Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht in Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat sind anzuwenden. Für den Arbeitnehmer, z.B. für Urlaubs- und Pausenregelungen und andere Mindeststandards sowie das Arbeitsrecht gilt das Recht des Aufenthaltsstaats (Günstigkeitsprinzip). Alle gegenseitigen Leistungsverpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag bleiben bestehen. Eine Sozialversicherungspflicht kann in Deutschland nicht begründet werden. Vorrang haben immer die Rechtsvorschriften jenes Landes, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird.
Verschiedene Szenarien, je nach dem aus welchem Grund der Arbeitnehmer im Ausland ist
Ein deutscher Beschäftigter, der ohne Entsendung ins Ausland ging (zum Beispiel in den Urlaub oder für eine kurze Geschäftsreise) und nun im Ausland im Home Office arbeitet, weil er nicht zurückkehren kann, bleibt hingegen sozialversicherungstechnisch und steuerlich ein deutscher Arbeitnehmer. Steuerlich gilt die 183-Tage-Regel. Die Krankenversicherung sollte unbedingt informiert werden. Auch sind Vorschriften über Meldepflichten im Gastland unbedingt einzuhalten. Die Notlage befreit nicht von der Einhaltung geltender Gesetze im Ausland.
Regelfall für neu eingestellte Beschäftigte aus dem Ausland, die nicht einreisen können: Wer nicht in Deutschland arbeitet, erzielt dort kein Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit und ist daher nicht steuerpflichtig. Immer gilt: Doppelbesteuerungsabkommen prüfen. Das Besteuerungsrecht liegt in der Regel im Ansässigkeitsstaat, der sich dieses Recht auch nicht gern nehmen lässt. Die Anwendung der 183-Tage-Regel wegen 2 Wohnsitzen kommt nicht in Frage, da in Deutschland (noch) kein tatsächlicher Lebensschwerpunkt oder signifikante wirtschaftliche Interessen bestehen. Meistens hat der Arbeitnehmer vorher noch nicht in Deutschland gelebt. Eine Pro-Forma-Anmeldung in Deutschland ändert daran nichts.Wenn der Arbeitnehmer sich zuvor lange in Deutschland aufgehalten hat oder hier gearbeitet hat, muss eine Einzelfallprüfung erfolgen.
Vorsicht: Wenn der Arbeitnehmer im Ausland sehr weitgehende Tätigkeit ausübt (Verträge schließen, Umsätze generieren, als Repräsentant auftreten), kann „unfreiwillig“ eine Betriebsstätte des Arbeitgeber-Unternehmens im Ausland entstehen. Die Konsultation eines Steuerberaters ist in Situation wie jetzt während Corona daher obligatorisch.
Und jetzt der umgekehrte Fall: Der Arbeitnehmer kann seine Stelle im Ausland nicht antreten
Wie ist die Situation in Sachen Home Office für einen Arbeitnehmer in Deutschland, der eigentlich für seinen inländischen Arbeitgeber im Ausland tätig werden sollte, nun aber wegen Corona nicht dorthin reisen und seinen Job antreten kann?
Grundsätzlich gilt:
- Die Arbeitsverpflichtung für die Auslandsgesellschaft besteht fort, von dort kommt auch das Gehalt
- Ob der Arbeitnehmer ins Home Office gehen kann,muss der ausländische Arbeitgeber entscheiden
- Ruhendstellung des deutschen Arbeitsvertrags wird empfohlen
- Sozialversicherungspflicht verbleibt bis zur Ausreise in Deutschland, der Arbeitnehmer bleibt in Deutschland auch steuerpflichtig
- Vorsicht: Ist der Arbeitnehmer z.B. ein Geschäftsführer der Auslandsgesellschaft kann das Auslandunternehmen in Deutschland unter Umständen steuerpflichtig werden, weil die Leitung in Deutschland erfolgt
- Vorsicht auch bei der Kostenweiterbelastung an die Auslandsgesellschaft, wenn Vorbereitungstätigkeiten für die spätere Tätigkeit im Ausland durch den Arbeitnehmer erbracht werden, denn der wirtschaftliche Nutzen könnte überwiegend bei der Auslandsgesellschaft liegen. Eine Lösung des Problems ist durch ein Service Agreement zu üblichen Markkonditionen mit Gewinnaufschlag möglich. Sonst droht auch noch das unliebsame Thema verdeckte Gewinnausschüttung
Corona ist wirklich eine Pest!
„Corona bringt alles durcheinander. Wir wollen mit diesem Artikel zum einen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sensibilisieren, an was sie alles denken müssen, zum anderen möchten wir aktuelle Tipps und Ansätze für Problemlösungen anbieten.
Wir rechnen damit, dass wir bald wieder zur gewohnten Arbeit im Rahmen von Global Mobility zurückkehren werden. Deutschland braucht weiter Fachkräfte, vor allem da jetzt viele Unternehmen sich stärker um ihre digitale Intensität und digitale, weniger vulnerable Geschäftsmodelle kümmern. Das geht ohne IT-Fachkräfte nicht. Und es gibt viele weitere Felder: Man denke nur an die fehlenden Pflegekräfte.
Wenn dieser Artikel dazu führt, dass Sie das Gefühl bekommen haben, dass wir unsere Kunden und Noch-Nicht-Kunden immer ein bisschen besser informieren als unsere Wettbewerber, dann hätten wir ein weiteres Zeil erreicht. Wir bleiben für Sie am Ball, denn Sie wissen ja: You’ve got a Friend in Germany!“
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